Freitag, 25. Mai 2012

THE KIDS ARE ALRIGHT

Mein Leben ändert sich gerade, und zwar so, dass ich es deutlich und in Jetzt-Zeit bemerke. Sonst krieg ich Veränderungen, mein eigenes Leben betreffend, oft erst in der Rückschau mit.
Das Augenscheinlichste: ich bin Oma geworden, und der jüngste Sohn hat soeben Abi gemacht und steht kurz vor seinem Umzug nach Berlin.
 Der beste Ehemann von allen und ich werden in Kürze zum ersten Mal seit Beginn unserer Verbundenheit nur zu Zweien sein. Da der jüngste Sohn sich nicht ausschließlich mit Handarbeiten im Schein der Petroleumlampe in der Wohnstube beschäftigt (ich habe gerade Wuthering Heights gelesen, da wirkt etwas nach), konnten der Mann und ich das schon üben.
Soll ich mal ehrlich sein ?
Es fühlt sich wunderbar an.
Wenn er vor Monaten sagte: Ach, ich freu mich darauf !, dann sagte ich: Ich auch. Aber vorstellen konnte ich mir das nicht.
Mies ist an all dem nur, dass es mit dem Älterwerden zu tun hat. Ich schätze das Älterwerden nicht. Ich bin angenervt von meiner Falten werfenden, sinnlos herumhängenden Haut, von rheumatischen Schüben, grauen Haaren, zunehmender Alkoholablehnung (weil mir ein lustiger Abend inzwischen einen ungeheuren Energieverlust einbringt, der mitunter 2 Tage anhält), überhaupt schwindender Leistungsfähigkeit. Ich vermisse Jungsein.
Den Mann an meiner Seite halten solche Dinge nicht auf: er freut sich des Lebens und auf die Zukunft mit mir.
DAS IST WUNDERBAR !
Gestern hatte meine Mutter Geburtstag. Mit wenig Enthusiasmus planten meine Schwester und ich die Feierlichkeit: wir sagten der Familie Bescheid, dass wir uns um 6 im Cafe Mocca (das liegt günstig in unmittelbarer Nähe des Altenheims) treffen und dort in der Abendsonne zusammen essen. Niemand in unserer Familie schätzt Familienfeiern sonderlich, es gab immer viel zu viel Zwist und enorme Zumutungen, meine Mutter war sicher diejenige, die sich wohl immer dann am meisten spürte, wenn Unterstellungen, Beleidigungen, Verletzungen und Mißgunst nur so hin und her flogen.
Einzelnen Familienmitgliedern bin ich sehr zugetan, aber die monströse Ballung aller, die hat mich von je her abgeschreckt. Ich gehörte nie zum inneren Kreis, selbst wenn ich mich dafür entleibt hätte. Ich hatte eine klar definierte Funktion, mehr nicht.
Um so gruseliger der  Gedanke an Familienfeiern wie die gestern.
Aber:
es war gar nicht schlimm.
Ich habe darüber nachgedacht, woran das gelegen haben könnte, denn selbstverständlich ist das nicht.
Es ist das passiert, was man Leben nennt.
Die Familie hat sich personell verändert. Auf den Plätzen der Verstorbenen und Verschwundenen saßen nun die, die der Liebe wegen in den Kreis geraten sind. Und aus diesen neuen Verbindungen sind neue kleine Menschen geworden, die den gestrigen Abend so heiter gemacht haben. Trudi (0), Finn (2) und Marie (3) ist es mühelos gelungen, den Stunden Unbeschwertheit und Frohsinn zu geben. Wie unschuldig und unwissend die Drei für Lacher sorgten, für anrührende Augenblicke und Spannung ! Die herzallerliebste winzige Trudi, der sanftmütige und gelassene Finn, die unerschrockene und quirlige Marie sind die neue Generation. Ich denke, wir Alten und Älterwerdenden können getrost zurücktreten und den Stab weiterreichen - sie machen es jetzt schon besser als ihre Eltern, Großeltern und die Urgroßmutter.
Einmal hat mein Mann, der am anderen Ende des Tisches saß, sich vorgebeugt und meinen Blick gesucht, mir zugelächelt und einen angedeuteten Kuss in meine Richtung geschickt. Da wusste ich: er empfindet das wie ich.
Das Glücksgefühl in mir und die Freude auf mein neues Leben mit ihm sind bis jetzt nicht gewichen. Ich krieg das blöde Grinsen kaum aus dem Gesicht. 


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