Sonntag, 3. Juni 2012

Trulli Grummelkopf betritt die Welt

Als Trulli Grummelkopf damals auf die Welt kam, war es Frühling geworden in der kleinen Stadt. Überall auf den Feldern und Wiesen und in den Wäldern rings um die kleine Stadt wurde geboren, ausgebrütet, gesäugt, gefüttert und geschützt, die Luft flirrte von so viel Anfang und Hoffnung.
Ein guter Zeitpunkt für Trulli Grummelkopf, sich unter die Zahl der absolute beginners zu mischen, denn alle Menschen waren völlig aus dem Häuschen : Jaa, Frühling ! Endlich ! Da will man neues Leben begrüßen und neues Leben im eigenen ältlichen verspüren, da wird jedes Vogelzwitschern bejubelt und beim Anblick von Krokussen, die gestern noch nicht da waren, flippt man aus.
Jetzt kann man sich vorstellen, wie komplett irre vor Glück große Menschen werden, die schon beim Anblick von Krokussen ausflippen und beseelt Meisenkästen aufhängen und den geliebten Hund im Feld anleinen, damit der bloß keines der 3.743.000.000 neugeborenen Kaninchen erschreckt, also wie komplett irre die sich aufführen, wenn plötzlich Trulli Grummelkopf auf der Bildfläche erscheint.
Es wurde viel geweint damals.
Wenn etwas lustig ist, dann lacht man. Aber wenn etwas noch noch noch schöner und glücklicher ist als alles, was man sich gewünscht hat, dann ist Weinen besser geeignet. Es ist nicht ganz so laut wie dieses Gelächter, zumal, wenn gleich ganz viele auf einmal meinen, glücklich sein zu müssen.
Man schnieft und gluckst und wischt sich die Tränenströme aus dem Gesicht, damit man wenigstens etwas von dem sieht, was man so freudig beweint, manchmal muss man auch Rotze wegwischen, aber das stört an so einem Tag niemanden, da ist auch der Ärmel zum Rotzewegwischen kein Problem.
Und was man da sehen konnte von Trulli Grummelkopf, das sah so lieb aus, dass man gleich schon wieder von vorn anfing mit Tränen vergießen, Glucksen, Schniefen, Rotze am Ärmel. Das volle Programm.
Wie Trulli Grummelkopf aussah ?
Fangen wir ganz oben an.
Trulli Grummelkopf war gerade erst ein paar Stunden alt, aber sie hatte schon Haare.
Haare, könnte man denken, wie sensationell....hatte sie halt Haare !
Nein nein, es waren ja nicht nur Haare. Als wenn ich hier so ein Gewese machen würde um Haare.
Trulli Grummelkopf hatte eine Frisur ! Modell Glückshelm !
Ich zum Beispiel hatte zu meinem Leidwesen nie eine Frisur, bei mir ist es bis heute nur beim Haarehaben geblieben. Einmal, zu Beginn der 90er Jahre, habe ich das Glück einer Frisur erzwingen wollen, und ließ mir eine Dauerwelle machen. Die Dauerwelle ist heute ausgestorben, wie der Kassettenrekorder, das Telegramm oder demnächst bald der Filterkaffee.
Jedenfalls war die Dauerwelle dann, gelinde formuliert, nicht die Erfüllung, das langsame Herauswachsen der Wellen verminderte mein neugewonnenes, permanent gedrehtes Leid, bis es zu einer Art Erleichterung wurde, als ich wieder nur Haare hatte.
Trulli Grummelkopfs Frisur war ein recht dichter und, naja, schon noch etwas schmonzig verklebter kleiner Glückshelm, von dem man ahnte, dass er weich, flaumig und wohlriechend sein würde, wenn dieses Klebezeugs erstmal weggepflegt wäre.
Unter dem Glückshelmchen konnte man rechts und links Ohren finden, die ähnelten sich wie ein Ei dem anderen. Das war der Ästhetik sowas von zuträglich, das glaubt man kaum, wie hübsch Symmetrie sein kann. Aus dem gleichen Stoff wie der Glückshelm waren auf der Stirn zwei entzückende Augenbrauen gearbeitet, da klebte nichts, die waren jetzt schon vollkommen.
Trulli Grummelkopf musste auch damals schon Augen gehabt haben, die waren gleich unter den Augenbrauen, aber die hatten noch nicht geöffnet. Man stand da wie vor der verschlossenen Ladentür, etwas ratlos, kein Hinweisschild, wann denn nun geöffnet würde, nur zwei heruntergelassene Rolltörchen, da konnte man rappeln wie man wollte, die blieben zu.
Weit geöffnet wie Scheunentore aus Lilliput dagegen Trulli Grummelkopfs Nasenlöcher, die auf wunderbare Weise am unteren Ende der Nase angebracht waren, eine wirklich allerliebste Idee, es sah sehr niedlich aus. Die Nase selbst hatte noch so ein paar Startschwierigkeiten.
Man weiß nichts über den Weg, den Trulli Grummelkopf auf ihrer Reise in die Welt zurückgelegt hatte, es lässt sich vermuten, dass es zuweilen eng wurde und sie allerlei Kämpfen ausgeliefert war, jedenfalls hatte sie ganz schön was abbekommen. Mir fiel die Ähnlichkeit mit Rocky Balboa auf, aber nur an der Nase. Der Rest stimmte nicht, also verfolgte ich diese Spur nicht weiter.
Unter der Nase mit den lustigen (noch nicht befüllten) Nasenlöchern : ein mittig platzierter, hüsch geformter Mund. Meist lagen die Lippen fest aufeinander, wie das Gleich-Zeichen auf meiner Tastatur : Trulli Grummelkopf wollte uns also Ergebnisse liefern. Nichts weniger.
Wenn das zu anstrengend wurde, formte sie ein erwartungsvolles O. Mit den darüber liegenden Nasenlöchern ergab das ein Ö, wie ich es herzerwärmender noch nie gesehen habe.
Im Ö drin : die Zunge, so rosa wie das allererste Rosa. Innen glich das Ö also einer rosanen Höhle, die so rein und sauber aussah, dass man sehr gern ein winziges Spucketröpfchen sein wollte, um darin wohnen zu können.
So viel Rosa muss man erstmal verkraften. Als Korrektiv dazu gab es das ausgeprägte Kinn. Na gut: Kinnchen, aber ausgeprägt. Und weil Trulli Grummelkopf sich nicht damit begnügte, halbe Sachen zu machen, war in das Kinn auch noch ein Grübchen eingearbeitet. John Travolta, klare Sache. Aber nicht bei Pulp Fiction. Wie verroht muss man sein, um an Pulp Fiction zu denken, wenn man Trulli Grummelkopfs Grübchen im Kinn betrachtet ? Es könnte auch an das Kinngrübchen meines Erstgeborenen erinnern, was möglicherweise nicht ganz so weit hergeholt erscheint wie John Travolta.
Das Körperchen war eingepackt in grasgrünes Frottee. Eine Frotteehülle, die nicht ganz bewohnt schien. Da war noch Platz frei für andere Bewohner. Oder für Wachstum. Das war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht raus, wie das mit der Frotteehülle weitergehen würde.
Aus dem Körperchen kamen rechts und links zwei überraschend lebendig zappelnde Ärmchen heraus, an deren Enden sich jeweils ein Händchen befand. Heute weiß ich mehr, aber damals waren sie zu kleinen Kugeln geformt. Hin und wieder schnappte so ein Kügelchen auf, und sofort begann ich in Gedanken zu murmeln: Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen....
Ich kam nie bis zum Klitzekleinen, der sie alle auffrisst, denn so unvermittelt Trulli Grummelkopf Einblicke in ihre Fäustchen gewährte, so unvermittelt ballte sie diese wieder zu kleinen Kugeln, die sich aber immerhin gut eigneten, feste Küsschen darauf zu drücken.
Dass Trulli Grummelkopf auch Beine, Füße mit Zehen, einen kleinen Po, einen Bauch mit Mininabel und den kleinen Rücken eines Löwenbabys hatte (ohne Fell), das würde ich später noch bewundern.
Fürs Erste reichte völlig aus, was Trulli Grummelkopf von sich zeigte.
Sie war angekommen. Sie war da. Lebendig. Sie atmete und gab winzige Geräusche von sich, einmal war sogar ein Pups dabei.
Ohne Zweifel. Das Abenteuer konnte beginnen.

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