Mittwoch, 4. April 2012

Man sollte nie sagen: "Was gesagt werden muss" , Herr Grass !

Nach wochenlanger Blog-Abstinenz (krankheitsbedingt) melde ich mich früh am Morgen, quasi mit allererster Tinte zurück und schreibe über DAS GEDICHT von Grass.
Gestern hatte ich Besuch von Sohn und Schwiegertochter, man sprach über DAS GEDICHT. Ich hatte noch nichts davon mitbekommen, weil ich schon seit einiger Zeit wieder eine Weltabkehr betrieben habe.
Flugs ließ ich mir das Gedicht zeigen und gebe nun hier meine Meinung bekannt - noch habe ich nichtskommanichts an Kommentaren dazu gelesen, wenngleich ich vermute, dass die üblichen Verdächtigen sich alle schon zu Wort gemeldet haben.
Vorweg:
ich teile die Kritik an Netanjahu, somit die Kritik am Staate Israel. Ich lehne die kriegstreibende Politik Netanjahus ab und deutsche Waffenlieferungen.
Aber darum geht es wohl kaum bei der vermuteten Aufregung um DAS GEDICHT.
(Wo ist das kleine Aufsätzchen überhaupt ein Gedicht ? Nicht alles, was ein Dichter publiziert, ist gleich ein Gedicht, auch wenn es ein wenig daher kommen möchte wie Brechts "An die Nachgeborenen", ein Gestus, den ich hier vermessen finde. Aber sei´s drum.)
Mich stört an dem Gedicht einiges.
Der Titel. WAS GESAGT WERDEN MUSS.
Lieber Herr Grass,
das wurde auch schon gesagt, häufig. Weil man es so sagen kann und darf. Aber mit so einem Titel bringt man sich in die Nähe all dieser Sarrazins, weil man so tut, als sei seine Meinung oder Haltung eine, die man aus Angst vor Repression eigentlich nicht kundtun kann. Und wenn man es tut, dann kommt das Widerstand gleich. Das ist ein wenig finessenreicher Schlenker, der trotz seiner Uneleganz Menschen von einiger Bildung dazu bringt, dies dann gleich WAHRHEIT oder MUTIG zu nennen.
Das ist dumm.
Herr Grass, üben Sie weiter Kritik an Israels Politik. Wir leben in einem freien Land, wir dürfen das ohne Angst jederzeit tun.
Niemand unterdrückt uns persönlich: nicht unsere Regierung, nicht die Waffenlobby, nicht Netanjahu, nicht einmal Henryk M. Broder.
Aber Ihr Pathos , dieses mit "allerletzter Tinte" geschwurbelte Pamphlet....möge es wirklich die allerletzte Tinte gewesen sein.
Brauchten Sie auf Ihre alten Tage diese Selbstinszenierung als Widerstandskämpfer und zuletzt furchtloser Mahner ? Schade.
Mir in meiner entschiedenen Haltung gegen einen Krieg , gegen Netanjahus Iran-Politik, haben Sie gar nicht geholfen.
Weil es das nicht gibt, dieses "Man darf es ja nicht sagen".
Damit erst wird alles sehr kompliziert. Weil es impliziert, dass es da eine Meinungsdiktatur gäbe. Aber von wem ????
Und jetzt sind wir beim Antisemitismus.
Sie sind kein Antisemit, da bin ich sicher.
Aber wenn Sie so mit dem stilistischen Hämmerchen auf die Reflexzone pochen, dann wundert es mich nicht, wenn zuverlässig reflexhaft "Antisemitismus" gerufen werden wird. Ob das dann nun wieder klug ist, sei mal dahin gestellt. Aber so geschieht es immer und immer wieder, und Ihnen werfe ich vor, dass Sie nicht klüger geschrieben haben, um genau das zu vermeiden.
Viel mehr habe ich den Eindruck (weil ich Ihnen Klugheit unterstelle), dass Sie genau das provoziert haben.
Wem hilft das (außer Ihrem Ego) ?
Und nun, Herr Grass, werde ich mich daran machen, mal alle Kommentare zu lesen. Ich bin gespannt.

1 Kommentar:

  1. Gut gebrüllt, Löwin! Ersetzt glatt all die anderen Kommentare, zumal da die üblichen Reflexe keinen Deut besser sind als diese Selbstinszenierung von Grass.

    P.S. Schön, dass Du wieder im Blog-Lande weilst, ich hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ein paar schöne, hoffentlich nicht zu kalte Tage an der See!

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