Montag, 20. August 2012

Alles unter einem Dach

Als ich damals ein Grundschulkind war, hatten wir auch schon einen Fernseher. Ich liebte den Grundig-Kasten und vermisste auch die Fernbedienung nicht, denn die hatte noch niemand. Ganz besonders toll fand ich die Reklame (wir sagten nicht Werbung). Ich wartete immer voller Sehnsucht auf den Teddy der Bärenmarke-Kondensmilch. Wie niedlich der da so auf der Wiese zwei, drei Schritte machte neben der Milchkanne ! Und dann wars auch wieder vorbei, ach, ich hätte stundenlang zugucken mögen.
Meine Schwester und ich sprachen die Reklamen mit: Wenn einem soviel Gutes wird beschert, dann ist das einen As bach-Uralt wert.
Oder: ....Sie baden grade Ihre Hände drin.
Oder: ...ich gehe meilenweit für Camel Filter.
Ich mochte den Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer, die Frau Sommer mit dem Kaffee, die Klementine, das Gewissen (Warum trinkt er seinen Kaffee nicht ?) und sogar das HB-Männchen, ja, das war sogar richtig zum Ausschütten vor Lachen.
Aber besonders super war die Kaufhof-Reklame, denn soeben hatte in Neuss der Kaufhof eröffnet. Frauenstimmen sangen: Der Kaufhof bietet tausendfach, alles unter einem Dach.
Das war eine irrwitzig glitzernde Konsumwelt, ich freute mich sehr aufs Gymnasium, denn der Schulweg ging geradewegs DURCH den Kaufhof !!! Davon träume ich tatsächlich heute noch. Nach der Schule erstmal durch die Spielzeugabteilung, das hatte was.
Sylvia Blaszynski und ich hielten uns in der großen Pause immer abseits von den anderen (oder die von uns), und wir spielten die Reklamen nach. "Ich mach Kaufhof !" war die heißeste Währung: wer das gerufen hatte, durfte minutenlang singend darstellen, was der Kaufhof tausendfach unter einem Dach bietet.
Meine Mutter berichtete, dass in Amerika sogar Filme unterbrochen würden für Reklame. WIE BITTE ???Mein Vater sagte: Amerikanischer Scheiß ! Ich dachte: Ich möchte nach Amerika.
Heute möchte ich immer noch immerzu nach Amerika, aber ich verstehe, was mein Vater meinte. Wenn meine Liebe zur Reklame geblieben wäre, dann wäre mein Leben heute viel schöner. Aber wir haben uns auseinander gelebt und nichts mehr zu sagen, die Reklame und ich. Sie heißt ja jetzt Werbung oder Commercial. Ach , Schulkameraden heißen heute ja auch nicht mehr Jürgen oder Walburga. Und der Kaufhof ? Galeria.
Frau Sommer sitzt dementiell verändert im Seniorenstift, sie heißt in der Werbung fortan George Clooney und sieht auch so aus.
Trinkt noch jemand Asbach Uralt ?
Hat überhaupt noch irgendeine Latte-Macchiato-Ehefrau ein Gewissen, wenn dem Alten die Plörre nicht schmeckt ?
Viele Jahre später, als ich selber schon Kinder hatte, guckten mein Erstgeborener und ich wieder .... naja, Werbung. Aber es war nicht mehr das Gleiche, es hatte schon diese ironische Brechung, die leicht, allzu leicht ins Zynische abgleitet. Wir sangen immer laut mit bei Zott Sahnejoghurt:

VOLL GEPACKT MIT TOLLEN SACHEN
DIE DAS LEBEN SCHÖNER MACHEN
HINEIN INS WEEKENDFEELING
MIT ZOTT SAHNEJOGHURT
SAHNIG FRUCHTIG FRISCH UND LEICHT
HINEIN INS WEEKENDFEELING
HMMMMM
LASS DICH MAL GEHN
SCHALT EINFACH AB
GENIESS DEN SAHNIGEN GESCHMACK
MIT ZOTT INS WEEKENDFEELING.

Wir machten uns lustig. Das hätte ich beim Bärenmarketeddy nie getan. Den konnte ich lieben.

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